Aus der Geschichte Gautings

Teil 3: von den Bajuwaren zur Gegenwart

Gerhard Schober, Heimatpfleger

Das weitere Schicksal unseres Siedlungsraumes gibt Rätsel auf. Bis heute haben nämlich noch keine Funde die längere Lücke bis zum Eintreffen der bajuwarischen Siedler 500 n.C. aufgehellt oder gar geschlossen. Es scheint, daß unser Raum in dieser Zeit nicht mehr besiedelt war.
In der bajuwarischen Neubesiedlung erweist sich das Würmtal jedoch erneut als Schwerpunkt. Wie Perlen an einer Kette liegen hier die -ing-Orte: Menzing, Pasing, Gräfelfing, Krailling, Gauting. In Gauting dürften die Anfänge im Umkreis der Pfarrkirche St. Benedikt und im Bereich des Rathauses gelegen haben. Die bajuwarischen Reihengräber hinter der Sparkasse gaben mit ihren Beigaben Aufschluß über Leben und Sitte der noch nicht christianisierten Siedler.
Gauting entwickelte sich rasch wieder zum Mittelpunkt der Umgebung. Um 800 schenkte Kysila, eine Schwester Karls des Großen, die Kirchen von Gauting, Buchendorf und Leutstetten mitsamt umfangreichen Gütern dem Kloster Benediktbeuern.

Dies zeigt, dass hier im Bereich der alten Römerstraßen bedeutendes Königsgut vorbehalten war. Die Reismühle, die umliegenden, dem Landesherrn eigenen Forste, die Siedlung Königswiesen, die Karlsburg, das alles erweist als altes Königsgut weiter die besondere Stellung dieses Raumes. So kommt es nicht von ungefähr, daß sich die Überlieferung von der Geburt Karls des Großen gerade hier, auf der Reismühle nämlich, angesiedelt hat.

So sagenhaft diese Geschichte auch sein mag, sie entwickelt sich vor einem gewichtigen historischen Hintergrund.

Im hohen Mittelalter erscheint Gauting als zentrale Pfarrei für die Umgebung, für Stockdorf, Buchendorf, Pentenried, Königswiesen, Leutstetten.

Nur Unterbrunn, das als Pfarrei für Oberbrunn, Frohnloh, Hausen, Mamhofen und Rieden zum Bistum Augsburg gehört, gliedert sich da aus. Beide Pfarreien überliefern dabei das Angrenzen zweier Herrschaftsgebiete des hohen Mittelalters: Die Unterbrunner Pfarrei ist ein gewichtiger Schwerpunkt der Grafen von Andechs mit Ministerialien in Unter- und Oberbrunn. Die Gautinger Pfarrei ist Mittelpunkt wittelsbachischer Herrschaft im oberen Würmtal.
Fußberg, Karlsburg und Leutstetten sind hier mit Ministerialien besetzt.
Bis zur Säkularisation 1803 gehören die Gautinger Bauern zu verschiedenen Grundherrschaften, zu den Klöstern Beuerberg, Schäftlarn und Andechs, zu den beiden Ortskirchen sowie zum Pfarrhof. Einige Sölden zählten auch zur Gemeinde.

Ein gutes Drittel der Anwesen wurde zur Herrschaft Fußberg gerechnet, das sich inzwischen zur Hofmark entwickelt hatte. Es waren, anders als in Buchendorf, Unter- und Oberbrunn, in der überwiegenden Mehrheit kleine und mittlere Anwesen, und die Bauern mußten hier meist ein zusätzliches Handwerk ausüben, um leben zu können.

Dabei gab es hier auch seltenere Handwerker wie Rechenmacher, Siebmacher, Glaser, Gerber, Sattler, Maler, Metzger u.a. Gauting hatte sich damit schon seit langem zum Mittelzentrum für die Umgebung entwickelt.

Fußberg war im 12. Jh. als Lehen der Ministerialen Fuß von Karlsberg und als kleine Wasserburg zur Verteidigung des Würmtals entstanden. Seit dem 14. Jh. ging der Besitz durch mehrere Hände. Vom kaiserlichen Hofrichter Ludwig von Teck lesen wir in den Urkunden, von den Herren von Preysing und den Münchner Patrizierfamilien Pütrich, Ligsalz und Dichtl. 1621 übernahm das Kloster Andechs Schloß und Hofmark und behielt es bis 1803. Nach der Säkularisation folgten wieder verschiedene Adelige, darunter der berühmte "Eremit von Gauting". 1893 erwarb den Besitz Julius Haerlin, der Besitzer der Gautinger Papierfabrik. 1981 schließlich kaufte die Gemeinde Gauting Schloss und Park.

Bis weit in das 19. Jh. hinein war Gauting ein reines Bauerndorf geblieben. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie nach Starnberg im Jahre 1854 setzte jedoch eine stetige Entwicklung mit kontinuierlichen Einwohnerzuwächsen ein. Die Bautätigkeit erstreckte sich nicht nur auf das bestehende Dorfgebiet, sondern zunehmend auch auf die anschließenden Fluren (Grubmühler Feld, Reismühler Viertel) und auf die Hangkanten.

Seit 1903 entstand westlich der Bahn die Gautinger Villenkolonie, die sich in der Folge zu einem der schönsten Wohnquartiere des Würmtals entwickelte. Bis 1900 schließlich hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt, bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs war sie auf das achtfache gestiegen. Immer mehr Bauern gaben ihren Betrieb auf und führten ihre Grundstücke der Bebauung zu.

Während sich dabei auch die Zahl der traditionellen Handwerker mehr und mehr reduzierte, siedelten sich einige kleinere Industriebetriebe mit wertvollen Arbeitsplätzen an. Auch für Stockdorf war eine ähnliche Entwicklung zu beobachten, während die Nachbarorte Buchendorf und Unterbrunn noch lange ihre überlieferte Struktur bewahren konnten.

Bis nach 1800 waren die einzelnen Dörfer nur mit einer relativ geringen Selbstverwaltung ausgestattet, die Bauern bis zum Ende der Grundherrschaften nicht Herr über Grund und Boden. Erst die von Montgelas initiierten Reformen brachten hier nachhaltige Veränderungen.

Im Zuge der Gemeindebildung 1818 wurde Stockdorf zu Gauting geschlagen und verlor seine Selbständigkeit. Buchendorf, Unterbrunn und Oberbrunn mit Hausen konnten jedoch noch lange ihr Eigenleben weiterführen und wurden erst im Zuge der Gebietsreform 1978 mit Gauting zur Großgemeinde vereinigt.