Aus der Geschichte Gautings

Teil 2: Kelten und Römer

Gerhard Schober, Kreisheimatpfleger

Eigenartigerweise treten die Siedlungsspuren in der folgenden Latenezeit (ab ca. 500 v. Chr.) stark zurück. Dies dürfte jedoch mehr der gewandelten Bestattungskultur mit der Beisetzung der Toten in Flachgräbern zuzurechnen sein als einem stärkeren Rückgang der Besiedlung.

Allerdings ist auch sonst in Südbayern ein ähnliches Bild zu beachten. Flachgräber mit entsprechenden Grabbeigaben wurden in Gauting erst wenige entdeckt (u.a. in der Tulpenstraße und in der Hubertusstraße).

Das weitaus bedeutendste Zeugnis stellt die "Viereckschanze" von Buchendorf dar, eine der am besten erhaltenen keltischen Wallanlagen Süddeutschlands. 1984 konnte südlich der Reismühle ein weiterer keltischer Kultplatz (Brandopferplatz) archäologisch untersucht werden. Möglicherweise lag in seiner Nähe auch ein kleiner Wohnplatz. Ganz sicher ist der Name der "Würm" keltischen Ursprungs, wenn nicht sogar aus noch älterer Zeit tradiert.

Im Jahre 15 v. Chr. eroberten römische Truppen das Voralpenland. Es ist heute noch immer nicht ganz geklärt, wie stark der Widerstand der bei uns ansässigen keltischen Vindeliker war. Die römische Besetzung ging offenbar erst in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. daran, das eroberte Land durch kleinere Militärlager zu sichern.

Um 50 n. Chr. etwa wurde auch in Gauting eine Niederlassung eingerichtet. Ob sie zunächst und für kurze Zeit militärischen Charakter hatte, wissen wir noch nicht genau. Wir wissen auch nicht zuverlässig, ob die Römer hier an eine bestehende keltische Siedlung anknüpfen konnten. Immerhin läßt dies der Name "Bratananium", der wohl keltischen Ursprungs ist und nicht aus der lateinischen Sprache erklärt werden kann, vermuten. Möglicherweise ist diese keltische Siedlung am heutigen Würmübergang (Hauptplatz) zu suchen.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte entwickelte sich die römische Niederlassung zu einem wichtigen Zentrum für die Umgebung, in der kleine, verstreut gelegene Gutshöfe die landwirtschaftliche Versorgung der Region sicherten. Bratananium war vor allem Kreuzungspunkt zweier wichtiger Fernstraßen (etwa mit der Bedeutung heutiger Bundesstraßen bzw. Autobahnen). Die eine kam aus dem Süden, aus Richtung Bodensee (Schweiz, Südgallien) über Kempten und Raisting (mit Verbindung nach Italien). Sie traf im heutigen Ortszentrum auf die Fernstraße von Augsburg (Rhein, Nordgallien) nach Salzburg (Donauprovinzen, Balkan). Vermutlich führte eine Verbindung weiter nach Norden zur Donaulinie.

Wie die bisherigen Ausgrabungen gezeigt haben, lag das Zentrum von Bratananium im Bereich der heutigen Reismühler Straße. Es dürfte sich um eine Ansiedlung von etwa 150 bis 200 Einwohnern gehandelt haben. In mehreren archäologischen Untersuchungen konnten bereits wichtige Gebäude gesichert werden, so z.B. ein größeres Gebäude für Handel und Verwaltung, eine Raststation, ein Forum, eine öffentliche Therme mit Warm- und Kaltbädern, verschiedene Werkstätten von Handwerkern (Töpfer, Metallhandwerker) sowie Geschäfte von Händlern (Tonkrughändler, Terra-Sigillata-Händler). Bratananium war wohl ein kleines Einkaufszentrum und eine Rast- und Versorgungsstation für Reisende. Vermutlich wurden hier auch hoheitliche Aufgaben (Brückenpolizei, Steuern, gelegentlich auch Rechtssprechung) wahrgenommen. Den bei den verschiedenen Grabungen gemachten Funden nach zu schließen dürfte die Bevölkerung über eine gewisse Zeit hinweg relativ wohlhabend gewesen sein. Die meisten Häuser besaßen wenigstens einen Raum mit Fußbodenheizung, ein eigenes kleines Bad und vielfach Zimmer mit farbiger  Dekoration. Unzählige Scherben von schönem Terra-Sigillata-Geschirr, von  Glasgefäßen, von Schmuck und Schminkutensilien bestätigen dieses Niveau. Bratananium wurde allerdings im Zuge der zunehmenden Überfälle durch die Germanen (Markomannenkriege) mehrmals heimgesucht.

Festgestellte Brandschichten lassen auch eine teilweise Zerstörung des Ortes durch eine Brandkatastrophe im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts erkennen. Nachdem sich Bratananium wohl wieder etwas davon erholt hatte, lebte der Ort in etwas reduziertem Umfang wohl bis zu seiner wohl endgültigen Zerstörung in der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts weiter.